Beim Stammtisch am 9. Dezember 2021 waren Sylvie Holthoff und Ilka Uhlmann-Rathje zu Gast und berichteten von ihrer Arbeit bei Lotse Berlin, einer Beratungsstelle für Menschen mit Beeinträchtigung zum Thema unterstütztes Wohnen in Berlin. Schwerpunkt des Zoom-Treffens war der Ablöseprozess beim Auszug von Zuhause.
Aber zunächst einmal erfuhren die Teilnehmenden vom Ablauf der Beratung bei Lotse, der mit dem Ausfüllen eines Eckdatenbogens beginnt und anschließend höchst individuell vonstatten gehen kann. „Manche Menschen kommen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu uns, bis es wirklich konkret wird“, erzählt Sylvie Holthoff. Es gilt herauszufinden, was die Ratsuchenden wollen und auch zu hören, wie die Eltern die Situation einschätzen. Ilka Uhlmann-Rathje: „Es gibt diese Einstellung, die viele von uns Eltern haben: Niemand macht es so gut mit unserem Kind wie wir selbst. Davon muss man sich lösen“.
Keine Katastrophen
„Es darf auch mal schiefgehen nach dem Auszug“, davon sind die beiden Beraterinnen überzeugt. In großen Katastrophen darf es natürlich nicht enden. „Aber es schadet nichts, wenn mal einer ein paar Tage nicht duscht und dann sagt eben mal eine andere: „Du stinkst““.
Bei Lotse Berlin werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie Menschen der Auszug aus dem Elternhaus gut gelingen kann. Das Betreute Einzelwohnen kann für den Anfang auch in den elterlichen vier Wänden starten. Und wenn die Eltern befürchten, dass die Teilhabe in einer besonderen Wohnform zu kurz kommen könnte, kann das Persönliche Budget zusätzlich eingesetzt werden.
2 Tipps, die die Umgewöhnung erleichtern
Teilnehmerin Maud Materson, die das inklusive Haus der Pfefferwerk Stadtkultur aufgebaut hat, hatte noch zwei wichtige Hinweise: Das Zimmer im Elternhaus sollte noch eine Weile erhalten bleiben und nicht direkt nach Auszug ausgeräumt werden. Und die Gewöhnung ans neue Zimmer fällt leichter, wenn nicht nur nagelneue Möbel hineinkommen, sondern „Möbel mit Geschichte“: Ein Sessel aus dem Wohnzimmer, ein Teppich von Oma, ein Bild aus dem alten Kinderzimmer. Ein Jahr kann es dauern, bis ein Bewohner sagt: „Ich bin jetzt hier zuhause“.
Das BTHG (Bundesteilhabegesetz), das sich auch aufs Wohnen bezieht, ist laut Sylvie Holthoff noch längst nicht in den umsetzenden Behörden angekommen. „Da muss man einfach geduldig sein. Meine Hoffnung ist aber, dass das BTHG vom Senat so verstanden wird wie es gedacht ist: Dass die Bedürfnisse eines Menschen mit Beeinträchtigung so facettenreich sind wie die von anderen Menschen auch, und dass diese gesehen werden.“
Danke Sylvie und Ilka!
Das Thema Ablösung wird uns noch weiterbeschäftigen. Bei diesem Stammtisch waren wir so sehr damit befasst, dass wir das versprochen Quiz auf den ersten Stammtisch im neuen Jahr verschoben haben. Am 13. Januar um 18 Uhr 30 gibt es noch was zu gewinnen!