Viele Eltern von jungen Leuten mit Unterstützungsbedarf treiben dieselben Fragen um: Räumt mein Kind genug auf? Hängt es nur am Handy und schläft zu wenig? Isst es zuviel Süßes und wird zu dick? Wäscht es sich genug und fängt nicht an zu riechen? Trägt es angemessene Kleidung?
Keine einfache Fragen: Hier gibt es das so genannte Recht auf Verwahrlosung auf der einen und die Fürsorgepflicht auf der anderen Seite. Und es gibt sehr besorgte und sehr wenig besorgte Eltern.
Wie sieht es in der Praxis aus?
Dazu haben wir zum Stammtisch am 12. Mai 2022 Mario Elle eingeladen. Er ist Sozialarbeiter und Bezugsbetreuer in einer inklusiven WG in Heilbronn – somit direkt am Puls.
Das Wohnprojekt von Buntes Leben Heilbronn e.V.
Zum Wohnprojekt, in dem inklusives Leben verwirklicht wird:
Der Elternverein Buntes Leben Heilbronn e.V. hat mithilfe von Investoren ein Wohnprojekt mitinitiiert, bei dem unter 42 Wohneinheiten mehrere inklusive WGs angesiedelt sind. Die größte ist eine mit acht Mitbewohner*innen. In den übrigen Wohnungen leben zum Beispiel Rentner*innen, Studierende und Familien. In der 8-er WG ein Mensch im Rollstuhl mit hohem Unterstützungsbedarf.
Mario Elle war seit dem Start des Projektes 2018 dabei: „So eine WG ist ein ständiger Lernprozess, man kann nicht erwarten, dass vom ersten Tag an alles klappt wie geschmiert. Ein Stück weit betreuen wir die Eltern mit, die sehr unterschiedlich sind: Manche haben den Auszug ihres Kindes als Chance genutzt, auf Abstand zu gehen und ihr Ding zu machen. Manchen fiel das schwer. Ich erinnere mich an meine eigene Mutter, die nach meinem Auszug immer wieder wissen wollte, wie es mit dem Wäsche waschen klappt…“
Es ist immer wieder eine Frage von Kommunikation und Fingerspitzengefühl: „Bei den ersten Einkäufen im Supermarkt der fragende Blick der Klienten: Was soll in den Einkaufswagen? Die Vorstellung von den eigenen Bedürfnissen fehlen noch, es werden erstmal nur Leckereien eingepackt. In unseren WGs kochen wir abends nicht im großen Stil, weil die Menschen mittags in den Werkstätten oder der Mensa warm essen.“ Gekocht wird an den Wochenenden, und dann ist auch mehr Zeit für Gespräche.
Zu diesem Thema der Hinweis einer Stammtisch-Teilnehmerin: „Meine professionelle Erfahrung aus dem Wohnen ist, dass alles, was vorher von den Eltern gedeckelt war, gekauft wird. Auch heimlich. Wir sehen das an den leeren Tüten im Mülleimer.“ Auch hier hilft nur: Ins Gespräch kommen.
Es kommt vor, dass Mitbewohner*innen mit Unterstützungsbedarf morgens nicht gern aufstehen. „Dann ist der Detektiv in uns geweckt. Woran liegt das? Schlafmangel? Gibt es Ärger mit dem Fahrdienst oder auf der Arbeit? Wo drückt der Schuh? Im Zweifel suchen wir den Kontakt zum Arbeitgeber“, sagt Mario Elle.
Für gelingendes inklusives Wohnen gibt kein Paradekonzept. Aber Menschen, die gute Lösungen finden wollen.
Fotos von der Seite des Wohnprojektes